Stell dir vor
Stell dir vor, Mensch, es ist Sommer.
Es ist warm, die Sonne brennt, strahlend blauer Himmel. Du hast die
ganze Woche hart gearbeitet. Es ist Freitagabend und du hast Lust auf
ein schönes, kühles Bier im Biergarten deines Stammlokals.
Gesagt,
getan. Du betrittst das Lokal. Es ist proppenvoll. Du winkst dem
Barkeeper hinter dem Tresen zu, er winkt zurück. Du signalisierst
ihm „Das Übliche!“ und er bedeutet dir zurück „Steht gleich
auf der Theke“. Mühsam und mit vielen Entschuldigungen bahnst du
dir deinen Weg durch die anderen Gäste zum Tresen. Und da steht es
schon: dein kühles Helles. Freudig greifst du danach...
...Da schiebt sich ein Kerl zwischen
dich und die Theke. Es ist einer dieser Typen, die man nachts nur
dann gerne sehen mag, wenn die Alternative ein kleines Mädchen im
weißen Kleid auf einem Friedhof ist. Der Kerl glotzt von oben auf
dich herab. Du selber bist nun nicht sehr groß, besonders kräftig
auch nicht und schaust erst mal vorsichtig zurück. Dein Gegenüber
scheint noch zu wachsen, baut sich bedrohlich auf, breitet die Hände
aus und öffnet und schließt die Fäuste. Du möchtest keinen Ärger
im Allgemeinen und im besonderen nicht mit diesem Mann. Du schaust
also an ihm vorbei, gehst ein wenig zur Seite und versuchst, ihn zu
umgehen. Das lässt er aber nicht zu und bewegt sich so, dass du
nicht an ihm vorbei kommst. Du lächelst nun hilflos und hebst die
offenen Hände als Beschwichtigungsgeste. „Ach hey,“ sagst du
vage. „Ich will doch nur an mein Bier.“ Der Typ macht einen
Schritt auf dich zu und schubst dich nach hinten, weg von der Theke.
Hilfesuchend schaust du dich um. Da hinten! Da ist dein Kumpel
Karl. Seit der Schulzeit seid ihr durch Dick und Dünn gegangen. Also
weg von dem Typen, hin zu Karl. Der aber dreht sich weg, als hätte
er dich nicht bemerkt. Du bist fassungslos.
Währenddessen ist dir der Stänkerer
nachgekommen. Und nicht nur das: er hat zwei seiner Freunde geholt.
Gemeinschaftlich rücken sie dir wieder zu nahe, machen sich einen
Spaß daraus, dich von einem zum Anderen zu schubsen, knuffen dich in
die Seite. Niemand der anderen Gäste hilft dir. Im Gegenteil weichen
sie zurück und beobachten. Dann schlägt der erste deiner Angreifer
zu und du gehst zu Boden. Hilflos liegst du dort, reißt die Arme
hoch, um dein Gesicht zu schützen, du willst weg kriechen. Da kniet
ein zweiter auf dir und hält dich an Ort und Stelle. Vor lauter
Panik bekommst du keine Luft, dein Herz rast. „Ich sterbe jetzt,“
schießt es dir durch den Kopf. Völlig gelähmt vor Angst bleibst du
mit geschlossenen Augen regungslos liegen. Sie lassen dich los. Dein
Atem geht flach, du stellst dich leblos – bloß keine weitere
Aufmerksamkeit erregen. Sie haben gewonnen. Zeig ihnen das, wenn du
leben willst!
Nach einiger Zeit, die dir wie eine
Ewigkeit vorkommt, öffnest du vorsichtig die Augen. Die drei Typen
stehen am Tresen, prosten sich gut gelaunt mit einer Milch zu und du
hörst wie aus weiter Ferne den Satz: „Schau, jetzt hat er
eingesehen, dass Alkohol extrem ungesund ist. Er versucht gar nicht
mehr, zu seinem Bier zu kommen. Eigentlich sieht er doch jetzt recht
gelassen aus.“
Warum ich das geschrieben habe, ihr
Menschen?
Denkt mal nach.
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